Das Projekt Mittelalterrechner
Über Werte und Maße im Mittelalter
Es ist schon zum Verzweifeln. Für wirklich alle Maßeinheiten, Münzen und Währungen im Mittelalter gilt, dass ihre Werte regional und im Laufe der Zeit zum Teil extrem voneinander abwichen. Es kann keine absolut wahre und allgemeingültige Antwort auf die Frage nach der Wertigkeit einer Einheit oder Währung geben, es sei denn, man verfügt über eine historische Quelle, die dies zweifelsfrei belegt, die aber dann wiederum ausschließlich für den Ort und den Zeitpunkt der Quelle gilt und leider nicht ohne weiteres auf andere Zeiten und Orte übertragen werden kann. 20 km - äh, Entschuldigung, ich meine natürlich etwa zweieinhalb Meilen - weiter oder nur ein Jahrzehnt später, sah die Welt schon wieder völlig anders aus.
Von allem, was uns die moderne Wirtschaft und der Handel - zumindest in der westlichen Welt - an Gutem gebracht hat (von den negativen Errungenschaften will ich hier bewusst nicht sprechen) wie etwa Preisstabilität, Kartellgesetze, Normen, einheitliche Währungen usw. konnte ein Mensch im Mittelalter nur träumen. Aus diesem Grund kann etwa die Frage:"Was kostete 1481 ein Malter Gerste?" nie allgemeingültig beantwortet werden, oder man könnte auch getrost sagen: Jede Antwort ist richtig oder falsch. Es kommt nur darauf an, um wieviel...
Beispiele gefällig? Bitteschön!
Nehmen wir das Fuß. Es schwankte zwischen 25 und 35 cm. Die Rute zwischen 2,67 und fast 5 Metern. Die Elle zwischen knapp 50 und über 80 cm. Ein Scheffel zwischen knapp 20 und über 200(!) Litern. Der Silbergehalt der Pfennige schwankte um bis zu 30%, gleichzeitig schwankte aber auch deren Gewicht um bis zu 50%, auch wenn ausnahmsweise nicht an ihnen herumgeschabt worden war. Niemand kann heute also wirklich noch sagen, wieviel Silber ein Mensch damals tatsächlich in den Händen hielt, wenn er dem Bäcker einen Pfennig für ein Roggenbrot gab. Denn auch hier gilt: Münze ist nicht gleich Münze! Man könnte diese Aufzählung beliebig fortsetzen - Bei jeder Maßeinheit finden sich mehr oder weniger massive Abweichungen.
Warum dann trotzdem ein Mittelalter-Rechner?
Uns ging und geht es zwar durchaus darum, fundierte und korrekte Quellen für die Erhebung von Basisdaten zu finden, um eine höchstmögliche Näherung an eine vergangene Realität zu erzielen, aber das hehre Ziel war nie, eine hieb- und stichfeste, wissenschaftlich korrekte Rechenmaschine zu entwerfen. Das wäre zwar etwas Wunderbares, dass das nahezu unmöglich ist oder Jahr(zehnt)e Arbeit von Fachleuten beanspruchen würde, war schon klar, bevor 2006 mit der ersten Version des Mittelalter-Rechners begonnen wurde. Vielmehr ging es damals darum, dass man wenigstens ein gewisses Gefühl für mittelalterliche Einheiten entwickeln und somit deren Werte ungefähr berechnen können sollte. Zumindest sind alle Ergebnisse genauso gut wie die Quellen, die verwendet werden. Der Mehrwert des Mittelalter-Rechners steckt im Gegensatz zu EInzelquellen ganz klar in der Zusammenführung von Datenreihen verschiedener Quellen für seine interaktiven Rechendienste.
Wer hingegen ganz präzise und historisch fundierte Ergebnisse mag, der muss zwingend regional und epochal tiefergehend recherchieren. Hier seien Staats- und Stadtarchive empfohlen oder aber auch meine Links & Quellenangaben.
Gültigkeit, Alter und Umfang der verschiedenen Einheiten
Die hier verwendeten Einheiten sind diejenigen, die im Mittelalter (im heutigen Deutschland und angrenzender, damals zugehöriger Gebiete und Länder) am häufigsten in Gebrauch waren. Allerdings gibt es auch hier starke regionale und zeitliche Unterschiede. So war das Klafter sowohl Raummaß (für Brennholz) als auch ein Längenmaß, das Malter ein Hohlmaß (für Getreide), als auch ein Zählmaß usw.
Allerdings würde die ganze Umrechnerei für den Benutzer des Mittelalter-Rechners wenig Sinn ergeben, wenn nicht auch moderne, genormte Einheiten wie Meter, Kilogramm, Gramm, Feinunze etc. mit aufgenommen worden wären. Es gilt ja nicht nur, historische Maßeinheiten untereinander umzurechnen, sondern auch, sich ein Bild in Bezug auf heutige Normen und Werte zu machen.
Weiterhin wurden einige wenige Einheiten mit aufgenommen, die u.U. erst mit Beginn der Neuzeit Verbreitung fanden. Eine chronologische Einordnung der einzelnen Einheiten wurde nicht vorgenommen. Der geneigte Benutzer ist bei besserem Wissen gehalten, uns das gerne mitzuteilen oder dies einfach wohlwollend zu übersehen.
Datenbasis und -berechnungen für die Preise von Waren
Die gesamte Datenbasis des Mittelalter-Rechners wurde aus zahlreichen Quellen zusammengetragen. Insbsondere jedoch bei den Preisen von Lebensmitteln und mittelalterlichen Waren und Ausrüstungsgegenständen auf dem Mittelaltermarkt mussten wir einen Spagat machen. Da die Preise der Waren über die Jahrhunderte stark schwankten (meistens wurden sie sehr viel teurer) oder aber noch gar nicht verfügbar waren (z.B. die Muskatnuss, die erst spät importiert wurde), stehen bei der Eingabe nicht immer alle Daten für jedes Jahrhundert zur Verfügung. Sind hingegen zwei oder mehr Daten über eine Ware aus unterschiedlichen Jahrhunderten vorhanden, so wird eine durchschnittliche Preissteigerung errechnet, mit der der jeweilige Posten dann "aufgezinst" wird.
Damit wird eine höhere Ergebnisfülle erreicht, deren Daten zwar nicht explizit aus einer Quelle stammen, wobei das Rechenergebnis aufgrund zweier oder mehrerer Datensätze jedoch als zumindest wahrscheinlich und durchaus vertretbar angesehen werden darf.
Besonderheiten bei Währungen, Edelmetallen, Münzen und Münzgewichten
Münzgewichtsschwankungen
Neben den reinen Gewichtsangaben, die im Mittelalter gebräuchlich waren, existierten auch die sogenannten Münzgewichte wie "Mark" oder "(Münz-) Pfund". Aufgrund dieser Korrelation wird auch die Verbindung zu den entstandenen Währungen bis in unsere Zeit deutlich.
Eine "Mark" oder auch andere Münzgewichte repräsentierten ein (meist sogar überregional) geeichtes Gewicht in Silber, bzw. Gold. Entscheidend war also nicht die Währung, sondern das Wissen (und die Hoffnung), dass ein Münzgewicht überall gleich schwer war. Es mutet seltsam an, wenn man etwa Kilogramm in Mark umrechnet, aber der Ursprung war das normierte und durch die jeweilige Münze garantierte Gegengewicht in Edelmetall. Ein Pfund Silber konnte man so zum Beispiel in Mark, (Silber-)Gulden, Pfennigen oder Albi erhalten; die Anzahl der Münzen war unterschiedlich, das Gewicht und damit der Wert absolut identisch und damit (theoretisch) auch die Silbermenge.
Die Menschen im Mittelalter waren sich der Münzgewichtsschwankungen durchaus bewusst. So kosteten zwar Dinge mit geringen Preisen einen festen Münzbetrag (z.B. "8 Pfennige"), jedoch wurde bei großen Summen gleich ein Gewicht mit angehängt wie etwa bei "3 Pfund Haller" (also Hellermünzen aus Silber im Gesamtgewicht von 3 Pfund). Auf heute übertragen wäre das so, als würde man beim Kauf eines Hauses "2 Kilo 100 €-Scheine" statt einer Summe verlangen. Ich weiß, dieses Beispiel hinkt, denn der 100 €-Schein hat einen Materialwert, der gegen Null geht, aber das Prinzip ist klar, oder? Aber auch hier stellt sich das bekannte Problem der Normierung. Das römische Pfund war der Grundstein der Gewichte im HRR, jedoch wurde es nirgendwo so beibehalten. Es schwankte von knapp 300 bis 500 g.
Interne Rechenbasis für Umrechnungen
Als interne Recheneinheit und "Rechenwährung" habe ich das Gramm Silber verwendet. Als Faktor für die Umrechnung von Gold in Silbermünzen habe ich die heutige Relation des Gold- und Silberpreises verwendet, um eine einigermaßen glaubwürdige Umrechnung möglich zu machen. Dies ist prinzipiell nicht falsch, da damals der Materialwert der Währung zählte, nicht das auf ihr aufgeprägte Versprechen einer Zentralbank und wahrscheinlich übertraf der Goldwert zur damaligen Zeit den Silberpreis sogar noch mehr, als ich es zugrundegelegt habe, doch dazu habe ich keine Quelle gefunden.
Kaufkraftentwicklung im Mittelalter
Die sinkende Kaufkraft im Mittelalter habe ich versucht durch rudimentäre Berechnungen der Preissteigerungen (s.o.) abzubilden. Als Basis für alle Berechnungen habe ich einen Preis von 0.94 € pro Gramm Silber und 80.82 € pro Gramm Gold zugrunde gelegt (gem. der Edelmetallpreise vom 21.11.2024). Die Kaufkraft eines Gramms Silber hingegen errechnet sich aus einem Basissatz und den zuvor genannten Werten. Damit erhalte ich je nach Mittelalter-Jahrhundert eine ungefähre Kaufkraft pro Gramm Silber nach heutigem Wert. Die Kurse sind tagesaktuell! Sollte meine Online-Quelle einmal nicht zur Verfügung stehen, dann werden hilfsweise Basiswerte verwendet.
Nochmals: Das alles kann immer nur als eine ungefähre Näherung verstanden werden. Um die tatsächliche Kaufkraft einer bestimmten Münze, an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit zu ermitteln, hilft nur Quellenforschung. Denn selbst, wenn meine Annahmen für den Normalfall stimmen würden, so habe ich doch Missernten, Seuchen, Kriege, die kleine Eiszeit und lokalhistorische Gegebenheiten etc. außer Acht lassen müssen. Diese Rahmenbedingungen haben nachvollziehbarerweise Angebot und Nachfrage und damit die Preise massiv beeinflusst.